Auf der einen Seite Deklassierungen – auf der anderen Seite Importe ohne Zollschutz

03. Nov 2023

Das aktuelle Vorgehen auf dem Getreidemarkt ist für den Berner Bauern Verband schwer nachvollziehbar. Auf der einen Seite gibt es Deklassierungen und eine «Um-Labelisierung», auf der anderen Seite soll Brotgetreide ohne Zollschutz auf den Schweizer Markt gelangen. Was bringt es der Landwirtschaft, mit dem Marktentlastungsfonds Übermengen eines Labels zu finanzieren und mit Billigimporten Überkapazitäten bei Mühlen auszulasten? Wie immer in den Agrarmärkten, ist die Situation komplex. Der SGPV muss erklären, wie die Getreideproduzenten von diesen Entscheidungen profitieren.

Deklassierung und «Um-Labelisierung»
Der SGPV teilte am 1. November mit, dass aufgrund von Ungleichgewicht bei den Qualitätsklassen und bei den Sektoren (Suisse Garantie/IP-Suisse) Marktentlastungsmassnahmen nötig seien (Pressemitteilung SGPV). Es gib eine Deklassierung und eine «Um-Labelisierung».
Die Massnahmen werden vollumfänglich aus dem Marktentlastungsfond finanziert. Dieser Fonds wird durch die Beiträge der Produzenten gespiesen (CHF 4.63/dt Brotgetreide).
Eine «Um-Labelisierung» wurde noch nie durch den Marktentlastungsfonds finanziert, welche alle Brotgetreideproduzenten bezahlen. Gemäss Auskunft des SGPV hätten sie bei früheren Deklassierungen eher Reaktionen von IP-Suisse Produzenten gehabt, die die Beiträge bezahlen, da IP-Suisse Getreide nicht von den Deklassierungen betroffen war.
Der BEBV ist der Meinung, dass schlussendlich IP-Suisse die Menge von Produktion und Absatz besser aufeinander abstimmen muss, da es nicht sein kann, dass längerfristig via Marktentlastungsfonds Übermengen eines Labels finanziert werden sollen.

Grenzschutz und Stärkeproduktion
Auch diese Woche stand der Schweizer Getreidemarkt auf dem Programm der Wirtschaftskommission des Nationalrats. Die Motion Knecht verlangt, dass eine frühere Regelung zu Ausbeutenormen von Weichweizen zur Stärkeherstellung wiederhergestellt wird.
Mühlen können schon seit Jahren Weizen praktisch ohne Zollschutz zur Stärkeherstellung importieren. Damit soll die Stärkeproduktion in der Schweiz gestützt werden. Bis Ende 2020 lag die sogenannte Ausbeutenorm, welche in der Zollerleichterungsverordnung geregelt ist, bei 55%. Die effektive und technisch mögliche Ausbeute liegt jedoch bei 75-80%. Das heisst, die Differenz von ca. 20% des so importierten Weizens (also ohne Zollschutz!) konnte auf dem inländischen, eigentlich geschützten Getreidemarkt, als Backmehl abgesetzt werden. Per 1. Oktober 2021 hat der Bundesrat die Ausbeutenorm in der Zollerleichterungsverordnung auf 75% erhöht. Direkt betroffen sind ein Hersteller von Stärke sowie ein Hersteller von Karton bzw. Schneckenkörnern. Die Motion Knecht will die Zollerleichterung wieder anpassen, was der Bundesrat weiterhin ablehnt. Die Motion wurde erstaunlicherweise im September im Ständerat ohne Gegenstimme angenommen. Gemäss Auskunft des SGPV sei dies ein kompliziertes Thema. Die Müller seien in einer Situation der Überkapazitäten. Wenn sie Marktanteile verlieren, würde ein starker Preisdruck auf die Produzenten ausgeübt. Weiter sei die Getreidebranche einer der an den besten funktionierenden Branchen in der Landwirtschaft, in der innerhalb der Wertschöpfungskette die Fairness unter den Partnern spiele und man sich gegenseitig unterstütze. Der Wegfall des Stärketarifs (Ausbeutenorm) und der damit verbundene Wegfall von rund 10% der gesamten in der Schweiz vermahlenen Mehlmenge würde einen massiven Preisdruck auf die gesamte Getreidebranche auslösen, auch auf die Getreideproduzenten.
Anderer Meinung ist der Verein Faire Märkte Schweiz, welcher vor allem das entgangene Vermarktungspotential für die Landwirtschaft herausstreicht und hervorhebt, dass hauptsächlich Grossmühlen und die beiden Grossverteiler profitieren würden (Medienmitteilung Faire Märkte Schweiz).

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